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Wie die Wallstreet den Shale-Boom finanzierte!

U.S. Shale-Blase und der Wallstreet-Bluff!

Williston, North Dakota, ist mit rund 30.000 Einwohnern eine kleine Stadt im Nirgendwo – ungefähr eine Autostunde südlich der US-Kanadischen Grenze. Und sie liegt inmitten der Bakken Formation, dem zweitgrößten Ölfördergebiet der Vereinigten Staaten. Mit mehr als 200.000 Quadratmeilen, deckt die Bakken Formation eine größere Landfläche als Kalifornien ab. Die dortigen Öl-Vorkommen sind der Ölindustrie schon seit Jahrzehnten bekannt. Doch erst die hohen Ölpreise von über 100 Dollar pro Barrel und rasche Fortschritte in der Bohrtechnologie, machten die Ausbeutung der Bakken Formation attraktiv. Über die letzten Jahre strömten Ölunternehmen in Scharen nach Williston, um in der Umgebung nach Öl zu bohren. Zum Höhepunkt des Booms, überstiegen die Einstiegsgehälter die 100.000-Dollar-Marke. Selbst Fastfood-Ketten zahlten neuen Mitarbeitern 20 Dollar Mindestlohn und 500 Dollar Sofort-Bonus. Die Apartment-Mieten erreichten höhere Niveaus als in Los Angeles oder New York. Bauträger aus dem ganzen Land strömten nach Williston, um neue Apartments zu errichten. Viele dachten, der Boom würde ewig weitergehen. Bis die Ölpreise crashten…
Heute ist die ehemalige Boom-Town eine Geisterstadt. Das einzige was explodiert, sind die Leerstandraten für Immobilien. Apartments, die zuvor für 2.000 Dollar vermietet wurden, sind jetzt für 200 Dollar zu haben. Die Realität ist, dass die niedrigen Ölpreise die U.S. Shale Unternehmen killen.

US-Ölproduktion mit letztem Aufbäumen!

Trotz fallender Ölpreise und einem massiven Einbruch beim U.S. Rig Count (Anzahl der Bohrtürme), kletterte die US-Ölproduktion bis April auf einen Rekordwert von 9,6 Millionen Barrel pro Tag und sank bis August nur marginal um 300.000 Barrel pro Tag. Für die vermeintliche „Widerstandsfähigkeit“ der Shale-Produktion waren zwei Ursachen verantwortlich.
Erstens: Ein typisches Shale-Well erreicht seine Spitzenproduktion innerhalb der ersten drei Monate nach Produktionsbeginn, ehe der rapide Rückgang einsetzt. Sämtliche Wells, die in Q4/2014 und Anfang 2015 fertiggestellt wurden, konnten somit noch zum Produktionsanstieg bis März/April beitragen.
Zweitens: Die Öl- und Gasindustrie verfügt über eine hohe Anzahl von Wells, die gebohrt wurden, aber noch fertiggestellt, beziehungsweise gefrackt sind. Dieser „Fracklog“ soll sich auf mehr als 3.000 Wells belaufen. Die zwischenzeitliche Erholung der Ölpreise über die Sommermonate dürften die Ölunternehmen genutzt haben, um hunderte dieser Wells in Produktion zu bringen.

Anmerkung: Der von Analysten und der US-Ölindustrie vieldiskutierte Fracklog bietet allerdings nur theoretisch einen Puffer, um bei Ölpreisanstiegen zusätzliche Wells in Produktion zu bringen. Die gesamte Shale-Oil-Industrie war gezwungen Budgets zu streichen, massenhaft Mitarbeiter zu entlassen, Bohrtürme stillzulegen und Ausgaben für wichtiges Equipment zurückzustellen. Gleichzeitig befindet sich auch die Öl-Serviceindustrie im Überlebenskampf. Sobald die Ölpreise ansteigen, werden die Ölunternehmen in konzertierter Weise darauf drängen, ihre Produktion anzukurbeln. Es ist zu erwarten, dass sich die Industrie mit einem Mangel an Bohrtürmen, einem Mangel an Personal (Fracking/Completition Crews) und anderer Infrastruktur konfrontiert sehen wird. Das begrenzt nicht nur das Wachstumspotenzial der Produktion, sondern erhöht letztendlich auch die Kosten in Verbindung mit Fertigstellung und Fracking.

Die Botschaft der Banker: „Party On“!

Im Laufe des Jahres erschienen unzählige Reports, wonach die US-Shale-Produzenten insbesondere durch eine dramatische Verbesserung ihrer Bohrtechnologien effizienter und effizienter werden. Noch vor einem Jahr hieß es, dass die Break-Even-Preise für die US-Shale-Produktion bei etwa 80 Dollar liegen würden. Mit sinkenden Ölpreisen, wurden die Break-Even-Preise von den Analysten immer weiter nach unten angepasst. Inzwischen heißt es, dass die meisten Shale-Produzenten mit einem Ölpreis von 50 Dollar leben könnten. Erst kürzlich veröffentlichte Raymond James einen abstrusen Report mit dem Titel: „Die Antwort der US-Betreiber auf niedrige Ölpreise? Werde noch effizienter!“.
Ich frage mich nur: Wenn es die U.S. Shale-Industrie auf so „wundersame“ Weise geschafft hat, ihre Effizienz dramatisch zu verbessern, warum sind die Unternehmen dann weiterhin gezwungen, noch mehr Assets zu verschleudern, noch mehr Mitarbeiter zu entlassen und ihre Budgets noch stärker zu kürzen? Fakt ist: Selbst Continental, EOG und Pioneer, die Vorzeige-Unternehmen des Shale-Booms, die in den produktivsten Teilen der jeweiligen Plays operieren, haben in der ersten Jahreshälfte zwischen 10 Dollar und 24 Dollar pro Barrel Öl verloren.
Meiner Ansicht nach dienen solche Kommentare nur dazu, vom eigentlichen Ausmaß der Krise abzulenken. Aus gutem Grund. Man kann den Wallstreet-Bankern vieles vorwerfen, aber keine Dummheit. Zumindest wenn es darum geht, andere Investoren über den Tisch zu ziehen. Zur Finanzkrise 2008/2009 wurden nicht nur wertlose Subprime-Papiere für hunderte Milliarden Dollar an deutsche Banken verkauft – die Wallstreet-Banker spekulierten auch noch auf eigene Rechnung gegen diese Papiere.
Ein ähnliches Muster zeigt sich daran, wie die Banken den U.S.-Shale-Boom finanziert haben.

Finanzierungsmodell „Griechenland“

Whiting Petroleum

Whiting Petroleum

Als Whiting Petroleum infolge des Ölpreis-Einbruchs im Frühjahr frisches Geld benötigte, half die Hausbank, JP Morgan Chase, Investoren zu finden. Es gelang, 3,1 Milliarden Dollar in Aktien und Anleihen zu platzieren. Whiting verwendete jedoch fast die gesamte Summe, um 2,9 Milliarden Dollar zurückzuzahlen, die man JP Morgan und anderen Gläubigern schuldete. Seit der Platzierung im März, sind die Käufer der Aktie rund 40 Prozent im Minus und die neuen Bonds handeln zu 94 Cent für einen Dollar. „Hauptsache“, die Einnahmen deckten die Provision für JP Morgan für die Vermittlung des Placements ab, die sich laut Filings auf 45 Millionen Dollar beläuft.
Laut aktuellen Daten von Bloomberg, befinden sich 73 Prozent aller Aktien und Anleihen, die von Öl- und Gasproduzenten in diesem Jahr ausgegeben wurden, unter ihrem Ausgabepreis. Seit Januar konnten nordamerikanische Öl- und Gasproduzenten mit Hilfe der Wallstreet-Banker Aktien und Anleihen im Wert von 61,5 Milliarden Dollar platzieren. Laut Bloomberg kassierten die Banken mehr als 700 Millionen Dollar Gebühren. Mehr als die Hälfte des Kapitals wurde verwendet, um Verbindlichkeiten umzustrukturieren. Mit anderen Worten: Ähnlich wie bei Griechenland, ist es den Banken auch hier gelungen, hohe Risiken an Dritte weiterzureichen. Beim Sprecher von JP Morgan klingt das so: „In schwierigen Zeiten ersuchen Unternehmen üblicherweise, ihre Bilanzen zu stärken und die Liquidität zu verbessern, und wir haben vielen dabei geholfen, genau das zu tun“.
So funktioniert das Investment-Banking-Business: Banken leihen den Shale-Produzenten Kapital zu günstigen Konditionen, mit dem Ziel, die Verbindlichkeiten gegen üppige Provisionen in Form von Aktien und Anleihen an andere Investoren weiterzuverkaufen. Ein Geschäftsmodell, das in guten Zeiten wunderbar funktioniert. Doch jetzt haben wir eine völlig andere Situation. Obwohl die Banken im ersten Halbjahr eifrig dabei waren, Risiken an andere Investoren wie heiße Kartoffeln weiterzugeben, sind die Engagements noch immer beachtlich. Laut den offiziellen Filings (per 30. Juni), belaufen sich die Forderungen aus dem Energie-Portfolio der Citigroup auf 59,7 Milliarden Dollar, die der Bank of America auf 47,3 Milliarden Dollar und die von JP Morgan auf 43,6 Milliarden Dollar.

Fazit

Die ausstehenden Schulden der U.S. Shale Unternehmen dürften sich in etwa auf 260 Milliarden Dollar belaufen. Ein erheblicher Teil dieser Verbindlichkeiten wird niemals zurückbezahlt werden. Tragen werden diese Verluste unter anderem die Gläubiger von Publikumsfons, Pensionsfonds, Staatsfonds und anderen Vermögensverwaltern. Die Banken haben es diesmal gut „gemanagt“, Risiken an andere Investoren abzugeben. Ein Massensterben von Banken, wie zur Ölkrise in den 80er Jahren, ist unwahrscheinlich. Ungeschoren werden die Banken aber trotzdem nicht davonkommen. Inzwischen sind die Kurse der meisten Shale-Produzenten um 80% bis 90% gefallen, gleichzeitig preist der Anleihemarkt ein hohes Ausfallrisiko ein. Selbst den naivsten Asset-Managern, die das Geld anderer Leute verwalten, ist der Appetit auf Shale-Investments vergangen. Für drohende Verluste aus Shale-Pleiten, haben die US-Banken vorsorglich mehrere hundert Millionen Dollar zurückgestellt. Bleiben die Ölpreis noch länger um 50,00 Dollar, werden diese Rückstellungen kaum ausreichen.

Viele Grüße

Ihr Uli Pfauntsch

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Über den Autor

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