Tesla ist bekanntlich kein Unternehmen, dessen Bewertung sich an traditionellen Bilanzkennzahlen oder an der Peer-Group mit den anderen Autobauern orientiert. Nur zum Vergleich: Ford verkaufte im letzten Jahr 6,32 Millionen Autos, während es bei Tesla nur knapp über 30.000 verkaufte Autos waren. Der aktuelle Börsenwert von Ford beläuft sich auf 59 Milliarden Dollar, während Tesla zum aktuellen Kurs mit rund 30 Milliarden Dollar bewertet wird. Gerechtfertigt wird die hohe Bewertung von Tesla ausschließlich mit der „Story“ eines innovativen Technologieunternehmens, das unter der Führung seines charismatischen CEOs, Elon Musk, den globalen Automobilsektor revolutioniert. Für viele Anhänger ist Tesla längst eine Kultaktie. Es steht außer Zweifel, dass Elektromobilität für die Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Einen Markt gibt es definitiv – die Frage ist, ob es Tesla schaffen wird, diesen auch zu bedienen. Dazu müsste das Unternehmen langsam liefern. Bislang haben die Investoren sehr viel Geduld gezeigt und über die Verfehlungen der Prognosen großzügig hinweggesehen. Über die letzten 12 Monate konnte Tesla für die meiste Zeit einen Börsenwert von mehr als 30 Milliarden Dollar halten. Doch irgendwann reichen großspurige Ankündigungen von CEO Musk oder irgendwelche euphorischen Analystenkommentare nicht mehr aus, um den Kurs immer weiter nach oben treiben. Um die Bewertung zu rechtfertigen, muss Tesla liefern. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Probleme bei Tesla größer werden.
Enttäuschendes Model X
Die Tesla-Bullen konnten die Vorstellung des neuen Elektro-SUVs, Model X, kaum erwarten. Die Hoffnung war groß, dass die Präsentation einen ähnlichen Hype auslösen würde, als die legendären Produktvorstellungen von Apple oder Microsoft. Doch es ist völlig anders gekommen. Seit dem Mode X Debüt am 29. September, ist der Aktienkurs von Tesla von 246,65 Dollar bis auf 202 Dollar im Tief gesunken. Dafür gab es mehrere Ursachen. Zum einen wurde das Model X hinten mit Flügeltüren ausgestattet (Falcon Wing Doors). Solche Türen gibt es bereits seit 50er und 60er Jahren, etwa beim Mercedes 300SL, dem DeLorean DMC oder zuletzt beim Mercedes SLS-AMG. Dass sich diese Türen in der Serienproduktion nie durchgesetzt haben, liegt an der schwierigen und teuren Entwicklung. Beim Model X, das als Familienauto angepriesen wird, gibt es nicht nur mechanische Herstellungsprobleme, sondern auch ein Sicherheitsrisiko. Liegt das Fahrzeug etwa beim Überschlag auf dem Dach, sitzen die Passiere im Fonds in der Falle.
Der größte Nachteil ist allerdings der Preis von 144.000 Dollar für das Top-Modell. Obwohl der Standartpreis für die günstigere Version noch nicht bekannt ist, glauben Analysten nicht, dass dieser unter 90.000 Dollar liegen wird. Deshalb wird das Model X voraussichtlich ein Nischenprodukt bleiben. Tesla meldete bereits 25.000 Vorbestellungen für den Crossover. Doch 20.000 davon hatte man bereits zum Jahresanfang. Seitdem sind in den ersten zehn Monaten des Jahre – trotz des ganzen Medienhypes – nur 5.000 Neubestellungen eingetroffen. Hier hatten Analysten deutlich mehr erwartet. Das Hochfahren der Model X Produktion ist noch nicht abgeschlossen und findet wahrscheinlich bis zur Jahresmitte 2016 statt. Gleichzeitig plant Tesla, irgendwann im April nächstes Jahr seine Gigafactory einzuweihen. Für 2016 ist die Produktion des „Model 3“ geplant, das bereits im Vorfeld als „BMW-Killer“ gefeiert wurde und nur 35.000 Dollar kosten soll. Vorgestellt werden soll das Fahrzeug im März, mit dem Ziel, die Serienproduktion in 2017 zu starten.
Energiespeicher-Phantasie als Luftnummer?
Die Gigafactory, die in der Wüste von Nevada gebaut wird, sieht vor, zu rund einem Drittel mit Energiespeicherprodukten ausgelastet zu werden, die als Powerwall und Powerpack bezeichnet werden. Anfang des Jahres wurde mit der Vorstellung der Powerwall der Eindruck erweckt, als könnte sich künftig jeder Hausbesitzer spielend leicht vom öffentlichen Stromnetz abtrennen und nebenbei noch jede Menge Geld sparen. Inzwischen realisieren viele Menschen, dass es mindestens 6 oder 7 Powerwalls benötigt – mit Kosten von 3.500 Dollar pro Einheit, plus Installations- und anderer Kosten, lässt sich eine solche Investition in keinem Fall rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz nicht schläft. Unternehmen wie General Electric, Samsung SDI, 3M, LG Chem oder Daimler sind längst mit eigenen Speicherprodukten am Markt. Das größte Potenzial besteht für die Energiespeicherung bei mittleren und großen Erneuerbare-Energie-Projekten. Es ist noch völlig offen, ob sich die Lithium-Ionen-Technologie, auf die Tesla setzt, überhaupt durchsetzt. Ein großes Problem für Tesla ist, dass man nicht die finanziellen Ressourcen der Mitbewerber hat, um eine tragfähige Speicherlösung zu entwickeln. Mit einem Drittel der Gigafactory, die auf die Produktion von Batterien ausgerichtet ist, könnte die Kostenstruktur von Tesla sehr negativ beeinflusst werden.
Model S fällt durch
In meinem Ausgangsartikel vom 13. Oktober, hieß es unter anderem zum Model S: „…Doch mittlerweile tauchen immer mehr Erfahrungsberichte auf, die Zweifel an der Zuverlässigkeit aufkommen lassen. So soll es unter anderem häufiger zu Blasenbildungen auf dem großen Display, Feuchtigkeit in den Rückleuchten und Problemen bei der Türgriff-Mechanik kommen. Was den Tesla Ingenieuren die stärksten Kopfschmerzen bereitet, ist die Drive Unit, der E-Motor. Die Tesla-Motors Foren in den USA sind voller Horror-Stories von Tesla S Fahrern, die schon nach kurzer Zeit gezwungen waren, die Drive Unit zu tauschen“.
Es kam, wie es kommen musste. Am 20. Oktober berichtete das US-Testmagazin „Consumer Reports“ nach einer Umfrage unter 1.400 Tesla-Besitzern über eine ganze Reihe von Klagen. Dazu gehörten Probleme mit der Ladetechnik, dem Antriebsstrang und den Anzeigen. Daher könne das Model 6 nicht mehr länger empfohlen werden. Nachdem der Report bekannt wurde, stürzte die Tesla-Aktie in der Spitze um 11 Prozent auf 202 Dollar ab. Einige Tage später erklärte Elon Musk, dass es sich dabei um anfängliche Probleme gehandelt hat, die mittlerweile behoben sein sollen. Nichtsdestotrotz ist das Vertrauen in die Story von Tesla nachhaltig erschüttert worden. Man muss wissen, dass das US-Magazin „Consumer Reports“ in etwa so bedeutend ist, wie hierzulande die Stiftung Warentest. Das Magazin wies aber auch darauf hin, dass sich trotz der zahlreichen Beschwerden 97 Prozent der Tesla-Fahrer wieder für das Auto entscheiden würden. Als Grund wurde die Behebung der Mängel durch den Kundendienst von Tesla angeführt. Für viele Tesla-Besitzer ist das Model S nur das Zweit- oder Drittauto. Doch es besteht die Gefahr, dass die Qualitätsmängel auch beim für 2017 geplanten Model 3 bestehen bleiben. Da es das erste „massentaugliche“ Modell (geplanter Preis circa 35.000 Dollar) werden soll, werden die Kunden voraussichtlich weitaus weniger nachsichtig sein.
Analysten stufen ab
Die Analysten von Morgan Stanley, der Investmentbank mit dem höchsten Kursziel für Tesla, sorgten sich über den hohen Preis des Model X – dennoch wurde das Kursziel von 465 Dollar auf 450 Dollar nur marginal gesenkt. Man muss allerdings bedenken, dass Morgan Stanley ein DCF-Modell (Discounted Cash Flow) über einen Zeitraum von 15 Jahren anwendet, das auf wild optimistischen Zukunftsprognosen basiert, ohne jegliche Berücksichtigung jeglicher Herausforderungen, mit denen ein Early-Stage-Unternehmen wie Tesla konfrontiert sein wird. Ob es daran liegt, dass die Bank einer der „Lead-Manager“ bei der Platzierung von Kapitalerhöhungen für Tesla fungiert – und satte Provisionen kassiert…?
Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass andere Analysten weitaus niedrigere Kursziele sehen. So reduzierte Barclays zuletzt sein Kursziel für Tesla von 190 Dollar auf 180 Dollar. Die Analysten begründeten die Kurszielsenkung damit, dass Tesla seine Absatzprognose für 2015 verfehlen wird.
Prognose wird erneut verfehlt
Die Absatzzahlen von Tesla belaufen sich auf 10.045 (Q1), 11.507 (Q2) und 11.603 (Q3). Um die unterste Bandbreite der eigenen Prognose von 50.000 bis 55.000 verkauften Fahrzeugen zu erreichen, müsste Tesla im vierten Quartal noch 17.000 Fahrzeuge ausliefern. Selbst dann, wenn es gelingen sollte, in Q4 noch 1.000 Model X auszuliefern, müsste Tesla den Absatz des Model S um 46 Prozent zum dritten Quartal steigern, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu braucht es ein „Mega-Quartal“. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Tesla diese Prognose halten wird. Eine Verfehlung der Absatzprognose wird der Markt sicherlich nicht mit Kursgewinnen belohnen.
Model 3 – die letzte Hoffnung der Bullen
Tesla-Bullen wollen von den oben genannten Schwierigkeiten nichts wissen und setzen stattdessen auf das Model 3 – mit einem Preis von voraussichtlich 35.000 Dollar das erste massentaugliche E-Serienauto der Welt. Es gibt einen neue Batterie aus einer neuen Batteriefabrik, neue Materialien und eine neue Karosserie. Damit könnte Tesla sein Ziel erreichen, 500.000 Autos in 2020 zu produzieren.
Was sollte Tesla also davon abhalten, in der Bewertung von 30 Milliarden auf 60 Milliarden oder 80 Milliarden Dollar zu steigen?
Erstens: Das Model 3 soll für günstige 35.000 Dollar zu haben sein. Doch bislang konnte Tesla nicht beweisen, irgendetwas günstig zu machen. Selbst die PowerWall ist zum einen teuer und der wirtschaftliche Nutzen für den Kunden höchst zweifelhaft. Neue Materialien wie Carbon, Titan, Aluminium werden im Budget nicht drin sein. Insofern wird das Model 3 vermutlich keine Weltrekorde in der Reichweite aufstellen können.
Zweitens: Für das Model 3 benötigt Tesla eine hohe Produktionskapazität, etwa das Zehnfache des Model S. Derartige Stückzahlen erfordern eine völlig neue Fertigungstechnologie und hohe Investments. Nissan etwa, investierte 5 Milliarden Dollar für eine Fabrik, die circa 500.000 Fahrzeuge pro Jahr fertigt.
Cashburn-Rate + Kapitalbedarf
Elon Musk sagte zu einer Autokonferenz im Januar, dass Tesla bis 2020, wenn die jährlichen Absatzzahlen 500.000 erreichen, auf Nettobasis profitabel werden könnte. Im März 2014, hatte Tesla noch 2,6 Milliarden Dollar in der Kasse. Per 30. Juni 2015, waren es nur noch 1,15 Milliarden Dollar. Mit Hilfe der Wallstreet-Banken, konnte Elon Musk im August weitere 566 Millionen Dollar in neuen Aktien platzieren. Ohne diese Platzierung wäre der Cashbestand zum 30. September bereits auf unter 1 Milliarde Dollar gesunken. Musk kann vermutlich weiterhin auf die Unterstützung der Wallstreet-Banker zählen. Es ist gut möglich, dass Tesla das für die Expansion benötigte Kapital bekommt. Doch Anleger müssen wissen, dass jede zusätzliche Verwässerung einen negativen Effekt auf die Kursentwicklung haben wird. Und Tesla benötigt noch sehr viel Kapital, laut Schätzungen bis zu 7 Milliarden Dollar in den kommenden Jahren.
Fazit + Kursziel
Möglicherweise gelingt es Tesla sogar, mit dem Model 3 in 2017 einen riesen Überraschungserfolg zu landen. Möglicherweise explodieren die Ölpreise bis dahin auf mehr als 100 Dollar pro Barrel und lösen einen wahren E-Auto-Hype aus. Möglicherweise verschlafen bis dahin sämtliche Mitbewerber, einschließlich Apple, BMW, Nissan, Daimler und Porsche, die gesamte technologische Entwicklung und überlassen Tesla kampflos das Feld. Wenn all diese Dinge so kommen, kann Tesla das Kursziel von Morgan Stanley (450 Dollar) bis 2020 noch erreichen. Bedenkt man, was bei der Story von Tesla alles schiefgehen kann, erscheint das Kursziel der Barclays-Analysten mit 180,00 Dollar allerdings noch sehr optimistisch. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Tesla sein Ziel von 50.000 bis 55.000 Fahrzeugen in diesem Jahr verfehlen – das könnte dem Kurs stärker zusetzen als erwartet. Ein Kursziel von 150,00 Dollar für das erste Quartal 2016 erscheint alles andere als unrealistisch.
Für eine Short-Spekulation auf Tesla eignet sich der Knockout-Short mit der WKN CW5BXB (Citigroup, Basis + Stop-Loss-Barriere 270,00 Dollar, Laufzeit 16.03.2016).
Erreicht die Aktie von Tesla bis März 2016 das Kursziel von 150,00 Dollar, würde sich der faire Wert des Knockout-Scheins auf circa 10,60 Euro belaufen.
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