Mit einem Tief von 98 GBp, notierte die in London (und Frankfurt) notierte Genel Energy zuletzt nur noch zu einem Börsenwert von rund 272 Millionen Britische Pfund oder umgerechnet circa 390 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: Allein der Cahsbestand zum 31. Dezember 2015, beläuft sich auf 455 Millionen Dollar. Einer geringen Nettoverschuldung von nur 211 Millionen Dollar stehen Reserven und Ressourcen von 2,6 Milliarden Barrel Öl und eine Produktion von 86.100 bopd (netto) gegenüber.
Zum ersten Halbjahr 2015, weist Genel Energy in der Bilanz ein Net-Asset-Value (NAV) von 3,7 Milliarden Dollar aus – ein Vielfaches des aktuellen Börsenwerts. Um genauer zu sein, würde dieses NAV einem Kurs von 932 GBp pro Aktie entsprechen.
Allerdings notierte der Brent-Preis am 30. Juni 2015 noch bei knapp über 60 Dollar pro Barrel – zeitweise war es in den letzten Tagen weniger als die Hälfte. Doch selbst bei einem 50-prozentigen Abschlag würde sich noch immer ein Netto-Buchwert von circa 466 GBp pro Aktie errechnen – rund 335 Prozent über dem aktuellen Niveau.
Bewertung nach zwei klassischen Maßstäben
- Der erste Parameter ist die Bewertung nach Reserven: Genel Energy ist an den beiden größten produzierenden Ölfeldern in Kurdistan, Taq Taq und Tawke, beteiligt. Diese Felder kommen bislang auf nachgewiesene und wahrscheinliche (2P) Reserven von 1,2 Milliarden Barrel Öl – davon netto 429 Millionen Barrel für den Anteil von Genel. In der Vergangenheit wurden bei Transaktionen innerhalb der Ölindustrie durchschnittlich etwa 20 Dollar pro Barrel konventioneller 2P-Reserven bezahlt. Selbst bei nur 10,00 Dollar pro Barrel, würde sich ein potenzieller Wert von circa 4,3 Milliarden Dollar errechnen. Abzüglich 730 Millionen Dollar Verbindlichkeiten, die 2019 fällig werden, bleibt unter dem Strich ein Wert von 3,57 Milliarden Dollar als potenzieller Akquisitionspreis. Dabei sind der verbleibende Cashbestand per 30. September 2015 von 481 Millionen Dollar und unbezahlte Forderungen gegenüber der Regierung von Kurdistan von 409 Millionen Dollar noch nicht einmal berücksichtigt.
- Der zweite Parameter ist die Bewertung nach Produktion. Die Prognose von Genel für 2016 beläuft sich auf 60.000 bis 70.000 Barrel Öl pro Tag. In jüngster Vergangenheit wurden bei Transaktionen innerhalb der Ölindustrie durchschnittlich circa 50.000 Dollar pro „Flowing Barrel“ bezahlt. Damit würde sich für den Mittelwert von 65.000 bopd ein Wert von circa 3,25 Milliarden Dollar errechnen.
Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass die ausländischen Produzenten im Nordirak ihre Capex-Ausgaben aufgrund der niedrigen Ölpreise und den unregelmäßigen Zahlungen der Regionalregierung Kurdistans massiv gekürzt haben. Ohne die Kosten, die Kurdistan im Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat aufbringen muss, würde Genel bereits heute vermutlich netto mehr als 100.000 bopd produzieren.
Der Kampf gegen den IS und die niedrigen Ölpreise setzten Kurdistan schwer zu. Allerdings lassen die erfolgreichen Aktionen gegen die Terrormiliz IS (die laut Berichten bereits 40% ihres Territoriums verloren haben soll) darauf hoffen, dass Erbil künftig weiterhin zu verlässlichen und regelmäßigen Zahlungen in der Lage ist.
Signifikantes Upside aus Gasprojekten
Darüber hinaus ist Genel mit „Miran“ und „Bina Bawi“ zu 100 Prozent an zwei Weltklasse Erdgas-Lagerstätten beteiligt, die nur circa 300 bis 350 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt liegen. Erdgas steht etwa für die Hälfte der türkischen Stromerzeugung. Bislang bezieht die Türkei 90 Prozent ihres Erdgas-Bedarfs aus dem Iran, Russland und Aserbaidschan. Mit Hilfe der Gas-Assets von Genel, die allein für die erste Stufe auf 11 Billionen Kubikfuß Roh-Gas und 79 Millionen Barrel Öl + Kondensat geschätzt werden, könnte die Türkei ihre Gasimportrechnung erheblich reduzieren.
Bereits im letzten Jahr unterzeichnete die Türkei mit Kurdistan einen bindenden Abnahmevertrag zum Hochfahren der Exporte ab 2020. Genel ist verantwortlich für den Aufbau der MidstreamCo und erhält im Gegenzug einen garantierten Festpreis von 1,20 Dollar/mcf. Zum Vergleich: Die Gesamtkosten belaufen sich auf weniger als 5,50 Dollar pro Barrel oder weniger als 1,00 Dollar/mscf.
Die Sicherung der Finanzierung über Fremd- und Eigenkapital wird für das zweite Halbjahr 2016 erwartet. Die gesamten Kapitalkosten (Capex) für das Upstream Gas-Development belaufen sich auf 2,9 Milliarden Dollar, 400 Millionen Dollar für das Upstream Öl-Development und circa 2,5 Milliarden Dollar für das Midstream-Development. Genel selbst strebt eine Beteiligung von 10 Prozent an der MidstreamCo an. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass keine Obligation zur Entwicklung des Midstream-Projekts besteht, ohne neue Eigenkapital- und Schuldfinanzierung.
Wie Genel am 20. Januar meldete, werden die vollständigen Bedingungen der Ergänzungen am Produktionsteilungsvertrag (PSA) und die Gaslieferverträge voraussichtlich im ersten Quartal 2016 unterzeichnet. Die Arbeiten an den Finanzierungs- und Entwicklungsplänen für das kurdische Gas-Business dauern an. Das Timing des Fortschritts hängt von der Entwicklung der Exportzahlungen und den regionalen politischen Entwicklungen ab.
Die FID (Final Investment Decision) ist für Ende 2016 geplant, mit dem ersten Gas 30 bis 36 Monate nach dem finanziellen Abschluss.
Fazit
Genel Energy bietet sämtliche Zutaten, die das Unternehmen zu einem attraktiven Ziel in der Ölindustrie machen:
- Eine saubere Bilanz mit geringer Netto-Verschuldung, hohen Öl- und Gas-Reserven + Produktion
- Mit weniger als 2,00 Dollar pro Barrel Öl die industrieweit günstigsten Produktionskosten
- Mittel- und langfristiges Upside aus Entwicklung und Produktion.
Allein die derzeitige Produktion und Reserven-Basis würden Kurse von mindestens 400 GBp rechtfertigen, was nahezu einer Verdreifachung vom aktuellen Niveau entspricht.
Im Hinblick auf die kommenden Jahre bieten die zu den Ölfeldern benachbarten Erdgas-Assets signifikantes Zusatz-Potenzial, wenn auch erhebliche Vorleistungen für das Development nötig sind. Hauptursache für die völlig absurd erscheinende Unterbewertung von Genel, ist sicherlich die politisch instabile Lage in der gesamten Region.
Nichtsdestotrotz gibt es in der Beurteilung eines Unternehmens zwischen Finanzmarkt und Ölindustrie häufig bedeutende Unterschiede. Das Risiko in Kurdistan ist im Grunde nicht höher als im Irak einzustufen, wo etwa Öl-Majors wie Shell, ExxonMobil, BP, Total, Gazprom und andere Unternehmen operieren. Im Gegensatz zu Bagdad, bietet Kurdistan westlichen Ölunternehmen wesentlich attraktivere Konditionen. Akzeptiert Bagdad dauerhaft die Ölexporte Erbils auf eigene Rechnung und gelingt es der internationalen Koalition, den so genannten IS zu vernichten, kann die Aktie von Genel ihr gesamtes Potenzial abrufen. Im aktuellen Kurs scheint bereits das Worst Case Szenario, ein möglicher Zerfall Kurdistans eingepreist zu sein. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass sich die Lage in der Region über kurz oder lang entspannen wird.
Nach wie vor besteht für Genel Energy aufgrund der attraktiven Kennzahlen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Akquisition mit satter Prämie durch einen großen Player aus der Ölindustrie – möglicherweise noch in der ersten Jahreshälfte.
Viele Grüße
Ihr Uli Pfauntsch
www.companymaker.de
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