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Helikopter-Geld: Wann überweist uns Draghi direkt Geld aufs Konto?

Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

 

Die Frage eines Journalisten nach der EZB-Sitzung am Donnerstag könnte in die Geschichte eingehen: „Gehört Helikoptergeld zum Instrumentenkasten der Europäischen Zentralbank?“, wollte dieser wissen.

Die Antwort Draghis: „Helikoptergeld ist ein sehr interessantes Konzept, das derzeit in akademischen Zirkeln diskutiert wird. Wir müssen das beobachten.“ Peng!

Bereits in den letzten Ausgaben hatten wir aufgezeigt, dass immer mehr Ökonomen „Helikoptergeld“ ernsthaft diskutieren. Dass nun Draghi dies als „interessantes Konzept“ bezeichnet ist geradezu alarmierend.  In den letzten Ausgeben hatten wir Adair Turner, einst Chef der britischen Finanzaufsicht, diesbezüglich zitiert. Sein Vorschlag kommt dem sinnbildlichen Helikoptergeld sehr nahe:

Die EZB soll den Bürgern  frisches Geld direkt auf ihr Konto überweisen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der EZB die Kontodaten der 340 Millionen Bürger der Euro-Zone fehlen. Doch dafür hat Turner eine Lösung: Die EZB besorgt sich die Daten bei den Finanzämtern der Länder. Somit hätte man übrigens gleich eine beinahe lückenlose Datensammlung auf europäischer Ebene, die man im Ernstfall sicherlich auch für andere Zwecke nutzen könnte. soweit wollen wir mal noch nicht denken.

Wer jetzt schon jubelt, weil Draghi künftig Geld aufs Konto überweist, der sollte auch die Nebenwirkungen kennen. Zu den Anhängern des Hubschrauber-Geldes zählte bekanntlich auch Ex-Fed-Chef Ben Bernanke, genannt „Helikopter-Ben“, der nach 2008 mit dem gedruckten Geld der Notenbank quasi Steuern senkte und für die Bürger Schecks ausstellte. Doch damals herrschte eine Ausnahmesituation. Die Banken drohten nach Lehman zu kollabieren.

Wenn diese Maßnahme in der jetzigen Lage diskutiert wird, dann ist die Lage der europäischen Banken sicherlich schlechter als man es am Markt wahrnehmen möchte.

Willem Buiter, der Chefvolkswirt der Citibank würde am liebsten sofort mit Helikoptergeld loslegen. Er spricht sich nachdrücklich für eine Kollaboration von Notenbank und Politik aus. „Ein Helikopter-Abwurf ist längst überfällig“, sagt er. Buiters Plädoyer macht deutlich, dass die Diskussion um neue Geldexperimente die akademische Sphäre verlassen hat und die Hubschrauber der Notenbanken schneller starten könnten, als viele Menschen sich heute vorstellen mögen. Doch wie soll unter diesen Voraussetzungen das Vertrauen in die Stabilität einer Währung bewahrt bleiben, wenn Geld nicht nur durch Negativzinsen belegt ist – also da facto nichts mehr wert ist – und gleichzeitig noch per Knopfdruck verteilt wird und Staaten sich über die Notenpresse finanzieren?

Der Brite Turner ist sich des Risikos einer möglichen Hyperinflation – dem Deutschen Trauma des letzten Jahrhunderts – bewusst. Deshalb will er das Geld nicht den Finanzministern der EU(ro)-Länder überlassen. Diese sollen nur indirekt Zugriff haben. Als Vehikel hat Turner die Europäische Investitionsbank im Visier. Die Anleihen dieser gemeinsamen Einrichtung der EU-Mitgliedstaaten soll dann die EZB kaufen. Dann sollen von dort direkt Infrastrukturprojekte finanziert werden können. So will er den Vorwurf entkräften, es handele sich um eine verbotene Staatsfinanzierung per Notenpresse – obwohl es dies dann indirekt wäre! Turner will zudem, dass die EZB die volle Kontrolle bekommt. „Nur sie darf über den Einsatz und die Höhe von Helikoptergeld bestimmen“, sagt er. Als Kompass dafür solle sich das Institut an seiner Inflationsvorgabe orientieren – und dürfe sich währenddessen nicht von der Politik reinreden lassen. Die entscheidende Frage für uns ist dann, wie das gelingen kann. Denn: ist bei den Politikern erst einmal die Begehrlichkeit geweckt, über einen unbegrenzten Zugriff auf frisch gedrucktes Geld irgendwelche Wahlversprechen umzusetzen, dann dürfte der Wert des Geldes dahinschmelzen wie Butter in der Sonne!

Hyperinflation lautet das Schlagwort. Das Deutsche Trauma der 20er Jahre, welches den Aufstieg der NSDAP erst ermöglichte, ist in kollektiver Erinnerung. Zum Schluss gab es Scheine im Wert von 100 Billionen Mark mit denen man sich gerade noch ein Brot kaufen konnte (sofern der Bäcker noch arbeitete und den Schein annahm).  Was ist die Lehre aus dieser Zeit der Hyperinflation 1922/23? Die Deutsche Mittelschicht wurde ausradiert und verarmte. Nur wer damals Gold und Immobilien besaß, kam einigermaßen davon. Auch ausgewählte Aktien verhinderten den totalen Kollaps, den die Geldwerte in kurzer Zeit erlitten. Aktuell haben wir jedoch deflationäre Tendenzen, welche mit diesen stark inflationär wirkenden Ideen verhindert werden sollen. Die große Unsicherheit: Niemand weiß, ob diese umgesetzt werden. Als normaler „Mittelschichtanleger“ bleibt daher Diversifizierung zur Vermögenssicherung erstes Gebot!

Markteinschätzung:  Ein seriöser Ausblick auf die kurzfristige Entwicklungen fällt entsprechend schwer. Die Aktienmärkte könnten unter diesen Voraussetzungen in einer Bandbreite zwischen Mega-Hausse bis extrem nervöser Seitwärtsbewegung tendieren. Einen echten Crash sehen wir kurzfristig dagegen nicht, sondern erst in ein paar Jahren auf uns zukommen. Dafür müssten die Aktienindizes zunächst durch eine Fluchtbewegung aus den derzeit relativ hohen Cashbeständen nochmals kräftig nach oben gespült werden.

In Ausgabe 19/2016 landeten wir mit unserem kurzfristigen Ausblick beinahe eine Punktlandung. Wir schrieben:  Nachdem die Zone um 9.600 (unser Mindestziel dieser Erholungsbewegung) genommen wurde, ist der Weg nach oben zunächst technisch frei. (…) Allerdings sehen wir bei einer bis zum 10. März fortgesetzten Aufwärtsbewegung eine erhebliche Enttäuschungsgefahr, die wir eingangs beschrieben haben. Daher unser konkreter Rat: Alle Trading– und langfristigen DAX-Positionen und Blue Chips vorerst halten. Sollte der DAX in der kommenden Woche vor der EZB-Sitzung in Richtung 10.000 anziehen, empfehlen wir vor der Sitzung erste Absicherungsmaßnahmen!

Der DAX erreichte kurz nach der Zinsentscheidung fast genau die 10.000er Marke, stürzte danach aber um 500 Punkte nach unten. Freitag und heute dann eine erneut scharfe Bewegung nach oben – erneut bis zur 10.000er Marke. Klar ist: Die Märkte sind nach dieser Zinsentscheidung nervös, man misstraut zunehmend den verzweifelt wirkenden EZB-Maßnahmen.

Zugegeben, wir haben uns auch getäuscht. Denn: Mario Draghi enttäuschte die Märkte mit seinem Entscheid sicher nicht. Eine Senkung von 0,05% auf nun 0,00% beim Leitzins war nicht erwartet worden. Wohl aber die Ausweitung des Gelddruckens (Anleiheaufkaufprogramms) von 60 auf 80 Mrd. Euro monatlich und die beschlossene Senkung des Einlagenzinses für Banken von –0,3% auf nunmehr –0,4%.

ABER: die heftige Marktreaktion zeigt, dass die Geldpolitik der EZB ihren Zauber langsam verliert. Dem Drogensüchtigen wird die Dosis zu schwach, oder er merkt, dass auch eine Erhöhung der Dosis nicht mehr die erhoffte Glückseligkeit erzeugt. Deshalb wird zurecht die Frage in den Raum gestellt: Was macht diese letzte Senkung auf 0% noch aus? Und wie weit soll der Einlagenzins noch gedrückt werden, wenn schon die aktuellen Negativzinsen keine inflationäre Wirkung entfalten?

Was passiert, ist absehbar: Diverse neue Blasen an den Finanzmärkten entstehen. Sparer werden enteignet. Die Aktienmärkte, aber auch Immobilienpreise und wohl auch Gold dürften profitieren. Doch für die Ankurbelung der Konjunktur könnten diese Maßnahmen ins Leere laufen. Dafür wird – wie eingangs beschrieben – das Undenkbare immer lauter gedacht und die EZB müsste direkt die Staaten finanzieren oder gleich Geld auf die Konten der Bürger überweisen (Helikopter-Geld). Der größte Gewinner wäre (wie auch schon im aktuellen Negativzinsumfeld) in diesem Szenario wohl Gold. Aber auch die Immopreise in Deutschland (in den „Big Seven“ Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln und Düsseldorf bereits seit ein paar Jahren deutliche Preissteigerungen) und der Aktienmarkt dürfte bei einer staatlichen Auftragsflut und angesichts der wagen Aussicht auf Geldentwertung von einer Flucht in Sachwerte profitieren!

Ausblick: Nachdem wir nahezu eine Punktlandung mit unserer Vorhersage von letzter Woche landeten, wird die künftige Reaktion der Märkte im wesentlichen davon abhängen, wie die großen Geldströme sich nun verhalten. Vertrauen die Märkte weiterhin den Notenbanken oder nicht? Lenken insbesondere große Geldhalter wie Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter ihr Geld aus den Anleihen, die man bei der EZB nun in erhöhtem Umfang abladen kann, das Geld in den Aktienmarkt weiter? Oder wohin fließt die nochmals erhöhte Dosis? Das ist die zentrale Frage, wenn man heute eine grundlegende Anlageentscheidung treffen muss. Sollte man in den Aktienmarkt einsteigen, nur weil Mario Draghi wohl eine inflationäre Vermögenspreisspirale in Gang bringt?

Früher kaufte man einmal Aktien, weil die Gewinne der Unternehmen gestiegen sind, oder weil es klare konjunkturelle Zyklen gab. Heute kaufen immer mehr Investoren Aktien aber als alternativlose Anlage zu zinslosen oder gar negativ rentierenden Staatsanleihen.

Anleger flüchten in Aktien oder Immobilien, obwohl sie zumindest der Anlageform Aktie eher skeptisch gegenüberstehen. Dies macht den Aktienmarkt anfällig für völlig unvorhersehbare Schwankungen.

Die Tatsache, dass nun dank Tagesschau und Bild-Zeitung auch der letzte Kleinsparer mitbekommen hat, dass die Zinsen bei Null angekommen sind und womöglich demnächst Strafzinsen drohen, wenn man noch Geld spart, dürfte die Sache eher komplizierter machen. Wenn die Masse eine Ausweichmöglichkeit aus dem Sparen in Geldwerten sucht, dann dürften alle möglichen Assetklassen profitieren.

Dass sowohl die Preise für Immobilien, Gold und Aktien im Gleichschritt steigen (wie schon von 2008 bis 2011) ist derzeit unser wahrscheinlichstes Szenario für die nächsten Jahre. Einen richtigen Crash am Aktienmarkt können wir uns aufgrund der aktuellen Geldpolitik kaum vorstellen. In einigen Jahren könnte es jedoch auch dazu kommen. Insbesondere, da die EZB-Geldpolitik eine dringende Marktbereinigung in vielen Bereichen verhindert. So kommt es, dass Firmen, die in einem normalen Zinsumfeld längst verschwunden wären, weiter künstlich am Leben gehalten werden. Dies belastet jedoch auch die Margen der gesunden Gesellschaften. Die Gewinne könnten dadurch mittelfristig deutlich sinken.

Ein Blick auf den DAX spiegelt derzeit die Ratlosigkeit gut wider. Das Donnerstagstief bei 9.500 Punkten ist nun ein guter Gradmesser. Sollte der DAX darunter schließen, dann ist die Gefahr eines erneuten Austestens der bisherigen Korrekturtiefs im Bereich 8750/9000 leicht möglich! Langfristig sehen wir nur zwei mögliche Szenarien:

1) Breite Vermögenspreisinflation. Aktien, Immobilien und Gold steigen im Gleichschritt nach oben, bis eine der Blasen platzt.

2) Japanische Verhältnisse. Wir haben in dieser Ausgabe nochmals den Nikkei seit 1992 eingefügt. Trotz Nullzinsen und nun Negativzinsen konnte der japanische Aktienmarkt nie mehr eine echte Hausse starten. Jahren mit heftigen Kursgewinnen, folgten Jahre mit ebenso starken Verlusten. Auch dieses Schicksal ist bei einer dauerhaften Nullzinspolitik in Europa denkbar.

 

Hinweis: Nach der jüngsten Depot-Aufnahme im Nahrungsmittelsektor sinkt unser Cashbestand im Sicheres-Vermoegen.de Portfolio auf knapp unter 30 Prozent. Während der Dax seit Jahresbeginn mit 8 Prozent im Minus notiert, hangelt sich unser Depot mit aktuell +4,27 Prozent seit Jahresbeginn Schritt für Schritt nach oben.

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Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Redaktion von www.sicheres-vermoegen.de

 

 

 

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