Der Ölpreisverfall reißt immer größere Löcher in die Bilanz des zweitgrößten US-Ölmultis. Für das vierte Quartal meldete Chevron einen Verlust von 588 Millionen Dollar, das waren 31 Cent Verlust pro Aktie. Damit wurden die Erwartungen der Analysten von 45 Cent Gewinn pro Aktie massiv enttäuscht. Im Upstream-Business (Exploration + Produktion) summierte sich der Verlust von Chevron auf 1,36 Milliarden Dollar, verglichen mit einem Gewinn von 2,67 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Währenddessen erlebte das Downstream-Segment, das sich bei Ölpreis-Rückgängen normalerweise besser entwickelt, einen Gewinnrückgang um 33,4 Prozent auf 1,01 Milliarden Dollar.
Cashflow-Defizit
Chevron generiert nicht genügend Einnahmen, um seine Kapitalausgaben und Dividenden abzudecken. Über das letzte Geschäftsjahr, erzielte der Ölmulti 19,5 Milliarden Dollar als operative Einnahmen und 5,7 Milliarden Dollar aus Asset-Verkäufen, gab aber gleichzeitig 34 Milliarden Dollar als Kapitalausgaben und 8 Milliarden Dollar für Dividenden aus. Folglich musste Chevron zusätzliche Schulden aufnehmen, um das Defizit zu finanzieren.
Im vierten Quartal 2015, gab das Unternehmen 2 Milliarden Dollar für Dividenden aus, neben 7,4 Milliarden Dollar Kapitalausgaben (Capex) und musste zusätzlich 3 Milliarden Dollar Schulden aufnehmen. Über das Jahr nahm Chevron insgesamt 10,7 Milliarden Dollar neue Schulden auf, während sich der Cash-Bestand gleichzeitig um 1,9 Milliarden Dollar reduzierte. Insgesamt erhöhte sich die Nettoverschuldung von 14,7 Milliarden Dollar auf 27,3 Milliarden Dollar – und das, obwohl das Unternehmen 5,7 Milliarden Dollar aus Asset-Verkäufen generierte.
„Koste es, was es wolle“
Während des Conference-Calls sagte Chevron CEO, John Watson, dass „die Nummer Eins Priorität aus finanzieller Sicht die Beibehaltung und das Wachstum der Dividende“ sei. Watson weiß genau, wer seine Investoren sind und wie diese auf eine Kürzung der Dividende reagieren würden – nämlich mit einem Ausverkauf der Aktie. Also zahlt Chevron weiterhin 8 Milliarden Dollar, obwohl das Unternehmen noch nicht einmal genügend Cashflow erwirtschaftet, um die Kapitalausgaben zu decken. Es gibt nun eine große Diskussion, ob und wie lange Chevron die Dividende aufrechterhalten kann. Der populäre Öl-Analyst von Oppenheimer, Fadel Gheit, äußerte sich auf CNBC und sagte, dass die Dividende von Chevron keinesfalls tragfähig ist, auch wenn das Unternehmen diese als „heilige Kuh“ betrachtet. „Niemand erreicht den Break-Even bei 30 Dollar im Öl. Mit Chevron und allen anderen, muss es zu mehr Einschnitten kommen, die noch sehr viel tiefer gehen“, so Gheit.
Marktteilnehmer auf dem Irrweg
Ob Fadel Gheit oder andere Analysten Recht haben oder nicht, ist nicht die Frage. Fakt ist, dass sich das Unternehmen bei den derzeitigen Ölpreisen keine Dividendenzahlung leisten kann. Entscheidend ist, ob Chevron ausreichend Cashflow generiert, um die Dividende abzudecken, und nicht, ob das Unternehmen noch immer eine großzügige Dividende zahlt. Hinzu kommt, dass Chevron ausgerechnet jetzt, in der schwächsten Marktphase mit dem „Gordon-Projekt“ in Australien startet. Es ist das teuerste LNG (Flüssiggas)-Projekt aller Zeiten. Nach jahrelangen Verzögerungen, Mehrkosten und Streiks, sind die Ausgaben von 37 Milliarden auf 54 Milliarden Dollar explodiert. Mit LNG-Preisen, die seit 2014 um mehr als zwei Drittel auf aktuell 5,65 Dollar pro mmbtu gesunken sind, wird sich ein negativer Effekt auf die Cashflows zeigen. Jeff Brown, Präsident der Consulting-Firma FGE in Singapur, sieht das wahre Blutbad erst noch kommen und erwartet zwischen der zweiten Jahreshälfte 2016 und 2018 einen Rückgang der LNG-Spotpreise auf 4,00 bis 5,00 Dollar. Dann könnten asiatische Abnehmer Wege finden, um die Verträge durch die Bank neu zu verhandeln. Keine guten Aussichten für Chevron.
Fazit + Kursziel
Das einzige, was die Bewertung von Chevron künstlich oben hält, ist eine Dividendenrendite von circa 5,00 Prozent. Angesichts des Nullzinsumfelds und dem Trend zahlreicher Notenbanken hin zu Negativzinsen, üben die hohen Dividenden der Öl-Majors magische Anziehungskraft auf Pensionsfonds und andere Kapitalsammelstellen aus, die verzweifelt auf der Suche nach Renditen sind. Bislang konnten sich die Ölmultis zu geringen Kosten finanzieren. Doch die Gefahr lauert vonseiten der Rating-Agenturen, die für die Beurteilung der Bonität verantwortlich sind. Das Kreditrating von Chevron wurde von Standard & Poors zuletzt von AA auf AA- herabgestuft. Das ist noch immer im „High Grade“ Bereich, dennoch erhöhen sich mit jeder weiterer Abstufung die Kreditkosten.
Im Zuge des „Flash-Crashs“ am US-Aktienmarkt im letzten Sommer, erreichte die Aktie von Chevron am 24. August knapp 69,00 Dollar im Tief. Damals notierte Öl bei circa 45,00 Dollar. Aktuell, mit Ölpreisen von knapp über 30,00 Dollar und einer deutlich verschlechterten Bilanz, notiert die Aktie von Chevron rund 17 Prozent höher. Es gibt keinen Grund, der dieses Premium rechtfertigt.
Nur ein deutlicher Anstieg der Ölpreise in Richtung 50,00 Dollar pro Barrel dürfte verhindern, dass sich die Chevron-Aktie noch länger über dem 52-Wochentief bei knapp 69,00 Dollar halten kann. Das Kursziel für die erste Jahreshälfte lautet 60,00 bis 65,00 Dollar.
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Viele Grüße
Uli Pfauntsch
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