Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Die Verfassungsreform in Italien ist spektakulär gescheitert und Renzi verkündete noch in der Wahlnacht seinen Rücktritt. Wie erwartet, haben die Italiener ihre Gelegenheit genutzt, um dem so genannten Establishment den Mittelfinger zu zeigen. Die Gefahr, dass es nun zu einer verhängnisvollen Kette von Ereignissen kommt, hat sich mit der Regierungskrise dramatisch verschärft. Möglich ist, dass bis zu den Parlamentswahlen in 2018 eine Übergangs- oder Technokraten-Regierung eingesetzt wird. Doch wahrscheinlicher sind vorgezogene Wahlen. Wie der Spiegel heute berichtet, fordern sowohl die rechtspopulistische Lega Nord, als auch die Protestbewegung von Beppe Grillo, Fünf Sterne, sofortige Neuwahlen. Die Fünf-Sterne-Bewegung macht den Euro und die Europäische Union für den wirtschaftlichen Niedergang Italiens verantwortlich – und ein großer Teil der italienischen Bevölkerung teilt diese Ansicht. Bei Neuwahlen kann sich die Fünf-Sterne-Bewegung Hoffnungen machen, stärkste Partei zu werden. Sie lag zuletzt in Umfragen nur knapp hinter Renzis Demokratischer Partei auf Platz zwei. Sobald die Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht kommt, wird Grillo das Volk über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen lassen und plant anschließend die Einführung der alten Währung Lira.
Wie Sie wissen, ist Italien einer der meistverschuldeten Staaten weltweit. Die Schulden belaufen sich auf 2,4 Billionen Euro – das sind mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP misst die Summe aller Waren und Dienstleistungen und gilt als Kennzahl für den wirtschaftlichen Ausstoß. Ein ehrlicherer Ansatz für die Berechnung des BIPs wäre, wenn man die Staatsausgaben vom BIP abziehen würde. In Italien liegt der Staatsanteil bei mehr als 50 Prozent. Bedenkt man, dass die Verschuldung des Privatsektors im Verhältnis zum BIP tatsächlich als mehr als doppelt so hoch ist, offenbart sich der hoffnungslose Bankrott des italienischen Staates.
Das ist nicht das einzige Problem. Wie Sie ebenfalls wissen, sitzen Italiens Banken auf faulen Krediten im Volumen von mindestens 360 Milliarden Euro. Damit ist der italienische Finanzsektor in einem sehr viel schlimmeren Zustand als vor der Finanzkrise 2008-2009. Angesichts der neuen politischen Unsicherheit und des hohen Misstrauens in die Bilanzen dieser Institute, wird die Rettung durch ausländische Investoren praktisch zum hoffnungslosen Unterfangen.
Tickende Zeitbombe
Italiens Banken verkauften seit langer Zeit ihre Schuldpapiere an Kleinanleger als Alternative zu Sparprodukten. Eine skandalöse Praxis, die niemals hätte erlaubt werden sollen. Wird der Staat zur Rettung herangezogen, müssen nach derzeitiger Rechtsprechung mindestens die nachrangigen Anleihe-Gläubiger in Haftung genommen werden. Das bedeutet, dass die Anleihen italienischer Sparer in (nahezu wertlose) Aktien umgewandelt werden. Kommt es zur Anwendung der „Bail-in“ Regel, werden gewöhnliche Italiener, darunter viele Rentner, quasi enteignet. Das ist enormer politischer Sprengstoff, mit Potenzial zum Volksaufstand.
Man kann es drehen und wenden wie man will – Italiens Bankensystem ist eine tickende Zeitbombe und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Markt den Ernst der Lage realisiert.
Mario Draghi – geheimer „Deal“ mit BlackRock?
Es gibt eindeutige Hinweise, dass Hedgefonds seit mehreren Wochen riesige Short-Positionen in italienischen Anleihen und Aktien aufgebaut hatten, wie seit der Eurokrise 2011/2012 nicht mehr. Laut offiziellen Daten der italienischen Börsenaufsicht zeigten sich etwa signifikante Short-Positionen in Banco Popolare und Banca Carige.
Am vergangenen Dienstag gab es zwei interessante Meldungen. Zum einen berichteten die Nachrichtenagenturen, dass BlackRock, der größte und einflussreichste Geldverwalter der Welt, sein Engagement bei europäischen Banken und anderen Finanztiteln, die vor dem Votum unter Druck geraten sind, ausgeweitet hat. BlackRock fügte hinzu, auch weiterhin an italienischen Staatsanleihen festzuhalten.
„Zufälligerweise“ am selben Tag, ließ die EZB über Reuters verlauten, dass laut „EZB Kreisen“ die Europäische Zentralbank bereitsteht, um für den Fall, dass die Kreditkosten für den italienischen Staat bei einem negativen Ausgang des Referendums nach oben schnellen, notfalls unbegrenzt italienische Staatsanleihen aufkaufen werde. Damit erneuerte Draghi quasi durch die Hintertüre sein „Whatever it Takes“, indem er diese Nachricht aus „EZB Kreisen“ verkünden ließ. Niemand weiß, inwieweit es im Vorfeld Absprachen zwischen BlackRock und der EZB gegeben hat.
Fakt ist, dass die Spekulanten gezwungen wurden, ihre Short-Positionen einzudecken. Der Euro, der im nächtlichen Handel zum Dollar zunächst auf 1,051 Euro fiel, erholt sich aktuell auf 1,0718. Gold sprang im Nachthandel zunächst auf 1.190 Dollar, fiel im Tagesverlauf auf 1.156 Dollar und erholt sich aktuell auf 1.167 Dollar. Auch die europäischen Aktienmärkte werden auf breiter Front von Short-Eindeckungen nach oben getrieben.
EZB kann Bankenkrise nicht verhindern!
Die Europäische Zentralbank nutzt offensichtlich ihr monatliches Aufkaufprogramm über 80 Milliarden Euro, um verstärkt italienische Anleihen aufzukaufen und die Märkte zu beruhigen. Unglücklicherweise können solche Notfallmaßnahmen die italienische Bankenkrise nicht verhindern. Allenfalls kann Italien und dem Rest von Europa noch etwas Zeit gekauft werden.
Während die Verschuldung Italiens zum BIP exponentiell steigt, sind die Anleihe-Renditen Italiens trotz des jüngsten Anstiegs noch immer nahe den Rekordtiefs. Dennoch ist der Punkt, an dem die italienische Regierung noch irgendwie in der Lage wäre, aus dem produktiven Teil des Landes genug Steuern zu erheben, um die Schulden jemals zurückzuzahlen, längst überschritten. Ohne das größte Gelddruck-Experiment aller Zeiten durch die EZB, wären die italienischen Anleihe-Renditen nicht auf Rekord-Tiefs, sondern auf Rekord-Hochs. Sollte Draghi sein Anleihe-Aufkaufprogramme zurückfahren oder einstellen, würden die Renditen Italiens dorthin steigen, wo sie hingehören – und damit den italienischen Staat unmittelbar in den Bankrott treiben.
Wie bereits erwähnt, ist Gelddrucken keine Lösung, die dauerhaft funktionieren kann. Mit dem „Nein“ zur Verfassungsreform ist die Türe für einen potenziellen Ausstieg Italiens aus der Europäischen Union und dem Euro jedenfalls ein weites Stück aufgestoßen worden.
Auch wenn es noch kurzfristig mit den Kursen nach oben geht – meiden Sie europäische Unternehmen, Bonds und Aktien – insbesondere Finanzwerte. Meiden Sie auch sämtliche Geldwert-Anlagen bei Banken und Versicherungen. Setzen Sie weiterhin auf Gold – es ist das einzige Asset, das keinem Gläubiger/Schuldner-Verhältnis unterliegt. Es ist das einzige Asset, das seinen Wert seit Jahrtausenden behalten hat, selbst in den schlimmsten Krisen der Geschichte.
Ich bin überzeugt, dass die aktuelle Goldpreis-Korrektur die vielleicht letzte gute Kaufgelegenheit darstellt. Am Terminmarkt wurde die spekulative Short-Position inzwischen um mehr als die Hälfte reduziert und befindet sich wieder auf dem Niveau von Februar. Das spricht antizyklisch für steigende Notierungen – auch auf kurze Sicht.
Viele Grüße
Ihr Uli Pfauntsch
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